Mittwoch, 7. Mai 2014

Theater I

Schon viel zu lange her ist es: das National Student Drama Festival (NSDF), das vor Ostern in Scarborough stattfand. Ich durfte, dank eines Wettbewerbs mit der Kreativplattform IdeasTap, als einer von zwei offiziellen Festival-Fotografen fungieren - das war ein Spaß!
Scarborough ist ein recht kleines Städtchen an der Nord-Ost-Küste Englands, quasi auf der anderen Seite der Nordsee von der Heimatstadt aus gesehen, sehr mondän und sehr gemütlich, aber immerhin Heimat einer recht pfiffigen Theaterszene, die jedes Jahr vom NSDF noch angefeuert wird. Am NSDF dürfen alle teilnehmen, die zwischen 16 und 25 Jahre jung sind und Theater machen - unter der Voraussetzung, dass man von den sogenannten Selektoren, die jedes Jahr durchs Land reisen und Angst und Schrecken verbreiten (so stelle ich mir das vor), ausgewählt wird. Eine gewisse Qualität ist also sicher gestellt - würde man zumindest denken.
Giulia, meine herzallerliebste Mit-Fotografin, und ich sahen uns dabei einer kleinen Herausforderung gegenüber. Trotz beinahe jahrhundertelanger Festival-Tradition und einem lange, lange existierenden Festival-Magazin namens NoisesOff gab es nämlich noch nie Festival-Fotografen, und keiner hatte so richtig 'nen Plan, wie das denn laufen soll. Aber das haben wir natürlich locker-flockig gemeistert. Mit unseren Pässen, die um unsere Hälse baumelten und in Knallrot "Photographer" verkündeten, haben wir uns einfach in die Probe zur ersten Vorstellung geschlichen, nett Hallo gesagt und die Kameras gezückt. Das fanden die gar nicht so schlecht. Wir auch nicht.
Die ersten: Hungry Bitches mit "America". Name ist Programm, und so.
Nach 'ner Weile hatten wir's dann drauf, die Produzenten/Regisseure/Frauen für alles - welche Nummer man auch immer bekam - einfach vorher anzurufen oder anzuschreiben und ein paar Fototermine klar zu machen. Oder man freundete sich einfach mit einem Schauspieler in der Pausendisco an, das machte auch vieles sehr viel entspannter. So zogen wir dann täglich, bepackt mit Kamera, Monster-Objektiven und Keksen von Spielort zu Spielort, sagten nett Hallo, bekamen nett Hallo zurückgesagt und schon waren die Bilder im Kasten.
Festival-Sweethearts: Giulia und Will, "Enron"-Schauspieler
Morgens saßen wir meist im NoisesOff-Büro, lauschten den netten Theater-Kritikern, die sich dort Strom, Internet und Kaffee mit uns teilten und bearbeiteten die Bilder, während draußen die Surfer die ziemlich windige See eroberten - der Strand war nämlich gleich vor der Tür. Unterstützt wurden wir von unserem Mentor (oho!) Tony, von IdeasTap angeheuert und selbst begeisterter und höchst erfahrener Theaterfotograf. Der fand das, was wir da so knipsten, auch erstmal gut. So gut anscheinend, dass er uns fast täglich statt der vereinbarten zwei Mal besuchte und sich mit uns über die besten Bilder freute. Tony nahm uns auch die Angst vor der zweiseitigen Liste mit Anforderungen, die uns die Sunday Times geschickt hatte - er war da ganz lässig, nationale Zeitungen, die unsere Bilder wollen, sind doch ein Klacks, pah, und überhaupt, mit ein bisschen Photoshop und einer gesunden Portion Selbstvertrauen und haha, unserem Talent, wäre das alles ein Klacks. Notiz am Rande: Tony hat mal eine Geschichte über depressive Pinguine an die Bild-Zeitung verkauft. Ist dem Mann zu trauen?
Vorm Büro gleich rechts
Und natürlich, natürlich haben wir ganz viel Theater gesehen! Elf Shows insgesamt, davon vier Musicals, zwei Improvisationsstücke, zwei Highschool-Massaker, ein Stück über Plastikenten. Wobei es schon viel Geduld bedurfte, die jeweils drei Stunden "Jerusalem" und "Spring Awakening - The Musical" durchzuhalten. Dafür hätten "The Duck Pond" (eine charmante Enten-Version von Schwanensee) und "Road" (ein mehrbühniges Theater-Movie über die Thatcher-Ära) auch länger sein dürfen. Wir haben alles fotografiert und dann begeistert (mehr oder weniger) zugeguckt und geklatscht und Bühnenluft geschnuppert, hmmm. So viel Theater! Workshops! Diskussionen! So viele Bilder! Wir bekamen uns nicht mehr, Tony und das NoisesOff-Team bekamen sich nicht mehr ein, und die Sunday Times hat sich, glaube ich auch gefreut. Am Ende waren das sechs Bilder von mir auf deren Website und ein bisschen mehr Geld auf meinem Konto. Hehehe. Wir sind auf ein paar Websites gelandet. Und auf dem NoisesOff-Print-Cover war ich gleich fünf Mal in Folge... man muss auch mal angeben dürfen.
Abgebaut wurde auch...
Hach! Ich könnte noch so viel mehr erzählen. Von meiner äußerst charmanten Landlady im Mountview Hotel zum Beispiel, von all den Witzen, die im Büro gerissen wurden und mich diese Umgebung so schrecklich vermissen lassen, von der Frisur, die am Ende des Festivals alle (mir inklusive) trugen, von all den Theaterstücken, denen dieser Bericht gar nicht gerecht wird, vom hervorragenden Wetter, von dem Hasen, dem Mond...und...und...und...
Vielleicht hab ich ja noch ein Lieblingsbild für euch? Ich geh' mal stöbern.
The Duck Pond. Ohrwurmlastig. Und toll.

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